Aktuelles
Das
Glück ist eine leichte Dirne
Und weilt nicht gern am selben Ort;
Sie streicht das Haar dir von der Stirne,
Und küßt dich rasch und flattert fort.
Frau Unglück hat im Gegenteile
Dich liebefest ans Herz gedrückt;
Sie sagt, sie habe keine Eile,
Setzt sich zu dir ans Bett und strickt
Hat man viel, so wird man bald
Noch viel mehr dazu bekommen.
Wer nur wenig hat, dem wird
Auch das wenige genommen.
Wenn du aber gar nichts hast,
Ach, so lasse dich begraben -
Denn ein Recht zum Leben, Lump,
Haben nur die etwas haben.
Sie gaben mir Rat und gute Lehren,
Überschütteten mich mit Ehren,
Sagten, daß ich nur warten sollt,
Haben mich protegieren gewollt.
Aber bei all ihrem Protegieren,
Hätte ich können vor Hunger krepieren,
Wär nicht gekommen ein braver Mann,
Wacker nahm er sich meiner an.
Braver Mann! Er schafft mir zu essen!
Will es ihm nie und nimmer vergessen!
Schade, daß ich ihn nicht küssen kann!
Denn ich bin selbst dieser brave Mann.
Daß ich bequem verbluten kann, Gebt mir ein edles, weites
Feld! Oh, laßt mich nicht ersticken hier In dieser engen
Krämerwelt!
Sie essen gut, sie trinken gut, Erfreun sich ihres
Maulwurfglücks, Und ihre Großmut ist so groß Als wie das Loch der
Armenbüchs'.
Zigarren tragen sie im Maul Und in der Hosentasch' die
Händ'; Auch die Verdauungskraft ist gut - Wer sie nur selbst verdauen
könnt!
Sie handeln mit den Spezerei'n Der ganzen Welt, doch in der
Luft, Trotz allen Würzen, riecht man stets Den faulen
Schellfischseelenduft.
Oh, daß ich große Laster säh, Verbrechen,
blutig, kolossal - Nur diese satte Tugend nicht, Und zahlungsfähige
Moral!
Ihr Wolken droben, nehmt mich mit, Gleichviel nach welchem
fernen Ort! Die Wolken droben sind so klug! Oh, sie hören nicht - fort! nur fort!
Ängstlich beschleun'gen sie den Flug.
Posaunenruf erfüllt die Luft, Und furchtbar schallt es wider; Die Toten
steigen aus der Gruft, Und schütteln und rütteln die Glieder.
Was
Beine hat, das trollt sich fort, Es wallen die weißen Gestalten, Nach
Josaphat, dem Sammelort, Dort wird Gericht gehalten.
Als Freigraf
sitzet Christus dort In seiner Apostel Kreise.
Sie sind die Schöppen, Ihr Spruch und Wort
Ist minniglich und weise.
Sie urteiln nicht vermummten Gesichts; Die Maske läßt jeder fallen,
Am hellen Tage des Jüngsten Gerichts, Wenn die Posaunen schallen.
Das ist zu Josaphat im Tal,
Da stehn die geladenen Scharen, Und weil zu groß der Beklagten
Zahl, Wird hier summarisch verfahren.
Das Böcklein zur Linken
zur Rechten das Schaf,
Geschieden sind sie schnelle; Der Himmel dem Schäfchen
fromm und brav,
Dem geilen Böcken die Hölle!
nach oben
|
|
|
Deutschland.
Ein Traum
Sohn der Torheit! träume immer, Wenn dir 's Herz im Busen schwillt;
Doch im Leben suche nimmer Deines Traumes Ebenbild!
Einst stand ich in schönern Tagen Auf dem höchsten Berg am Rhein;
Deutschlands Gauen vor mir lagen, Blühend hell im Sonnenschein.
Unten murmelten die Wogen Wilde Zaubermelodei'n;
Süße Ahndungschauer zogen Schmeichelnd in mein Herz hinein.
Lausch ich jetzt im Sang der Wogen, Klingt viel andre Melodei:
Schöner Traum ist längst verflogen, Schöner Wahn brach längst entzwei.
Schau ich jetzt von meinem Berge In das deutsche Land hinab:
Seh ich nur ein Völklein Zwerge, Kriechend auf der Riesen Grab.
Such ich jetzt den goldnen Frieden, Den das deutsche Blut ersiegt,
Seh ich nur die Kette schmieden, Die den deutschen Nacken biegt.
Narren hör ich jene schelten, Die dem Feind in wilder Schlacht
Kühn die Brust entgegenstellten, Opfernd selbst sich dargebracht.
O der Schande! jene darben, Die das Vaterland befreit; Ihrer Wunden
heil'ge Narben Deckt ein grobes Bettlerkleid!
Muttersöhnchen gehn in Seide, Nennen sich des Volkes Kern, Schurken tragen
Ehrgeschmeide, Söldner brüsten sich als Herrn.
Nur ein Spottbild auf die Ahnen Ist das Volk im deutschen Kleid; Und die alten Röcke
mahnen Schmerzlich an die alte Zeit:
Wo die Sitte und die Tugend Prunklos gingen Hand in Hand; Wo mit Ehrfurchtscheu die
Jugend Vor dem Greisenalter stand;
Wo kein Jüngling seinem Mädchen Modeseufzer vorgelügt; Wo kein witziges
Despötchen Meineid in System gefügt;
Wo ein Handschlag mehr als Eide Und Notarienakte
war; Wo ein Mann im Eisenkleide, Und ein Herz im Manne war. -
Unsre Gartenbeete hegen Tausend Blumen wunderfein, Schwelgend in
des Bodens Segen, Lind umspielt von Sonnenschein.
Doch die allerschönste Blume Blüht in unsern Gärten nie, Sie, die einst im
Altertume Selbst auf fels'ger Höh' gedieh;
Die auf kalter Bergesfeste Männer mit der Eisenhand Pflegten als der Blumen beste
- Gastlichkeit wird sie genannt.
Müder Wandrer, steige nimmer Nach der hohen Burg hinan: Statt der gastlich
warmen Zimmer Kalte Wände dich empfahn.
Von dem Wartturm bläst kein Wächter, Keine Fallbrück' rollt
herab; Denn der Burgherr und der Wächter Schlummern längst im kühlen Grab.
In den dunkeln Särgen ruhen Auch die Frauen minnehold; Wahrlich
hegen solche Truhen Reichern Schatz denn Perl' und Gold.
Heimlich schauern da die Lüfte Wie von Minnesängerhauch; Denn in diese heil'gen
Grüfte Stieg die fromme Minne auch.
Zwar auch unsre Damen preis ich, Denn sie blühen wie der Mai; Lieben auch
und üben fleißig Tanzen, Sticken, Malerei;
Singen auch in süßen Reimen Von der alten Lieb' und
Treu'; Freilich zweiflend im geheimen: Ob das Märchen möglich sei?
Unsre Mütter einst erkannten, Sinnig, wie die Einfalt pflegt, Daß
den schönsten der Demanten Nur der Mensch im Busen trägt.
Ganz nicht aus der Art geschlagen Sind die klugen Töchterlein, Denn die Fraun in
unsern Tagen Lieben auch die Edelstein'.
Fort, ihr Bilder schönrer Tage! Weicht zurück in eure Nacht! Weckt
nicht mehr die eitle Klage Um die Zeit, die uns versagt!
Entstanden Anno 1819
nach oben
|